P.C.-Hooft-Preis für Arnon Grunberg
Viele Jahre hatte Arnon Grunberg mit dem niederländischen Literaturestablishment gebrochen, seine Buchpremieren wurden gar nach Belgien verlegt und in seinen Kolumnen ging er mit der Schreiberszene seines Heimatlandes hart ins Gericht. Mit der Verleihung des P.C. Hooftpreises, der höchsten literarischen Auszeichnung der Niederlande, stehen die Zeichen nun vollends auf Versöhnung. Oder?
Seine Werke sind in über 30 Sprachen übersetzt, seine Romane vielfach ausgezeichnet und gehören inzwischen zum Schulkanon (Tirza). Nicht verwunderlich, dass es der scharfe und kritische Blick ist, den Juryvorsitzende Maaike Meijer bei ihrer Laudatio für den diesjährigen P.C. Hooftpreisträger Arnon Grunberg hervorhebt. Eine kritische Schärfe, die dem mittlerweile 51-Jährigen Wahl-Newyorker nicht nur Freunde in der kleinen, niederländischen Literaturlandschaft eingebracht hat. Und doch kam am 19. Mai wohl zusammen, was zusammengehört. Der mit 60.000 Euro dotierte und meistbeachtete Literaturpreis der Niederlande geht an Arnon Grunberg. Und globale°, als langjähriger Wegbegleiter des Vielschreibers mit deutsch-jüdischen Wurzeln, war live bei der Preisverleihung in Den Haag dabei.
Trotz aller Harmonie, guter Laune und keinerlei Covid-Beschränkungen im mit 300 Gästen voll belegten Saal des Theater Dilegentia hing eine gewisse Spannung in der Luft. Völlig zurecht, wie sich später herausstellen sollte. Denn der Preisträger ist traditionell bereits im Vorfeld bekannt und gestaltet das Programm der Verleihungszeremonie federführend mit: Grunberg stellt den Abend unter das Motto „Gewalt“, der russische Angriffskrieg als Objekt poetologischer Selbstreferenz. Sein Dankeswort eröffnet aber konfrontationsfrei mit einer augenzwinkernden Absage an die Paraphrase O.T. Scotts, „dass die meisten Juryrapporte vermuten lassen, dass die Jury nicht bloß nichts von Literatur versteht, sondern sie insgeheim auch hasst.“ Auch die eine oder andere Spitze gegen ehemalige Preisträger wird von den anwesenden Literaten im Publikum höflich weggelacht. Und doch wäre Grunberg nicht Grunberg, wenn er es dabei belassen würde: Alle Preisgelder, die Arnon Grunberg für sein literarisches Schaffen erhält, fließen seit einigen Jahren in eine eigene Stiftung, die auch den Holocaust Literaturpreis vergibt. Ebenso werden von den Preisgeldern Workshops und didaktische Forschungsprojekte zur Schreibvermittlung finanziert. Und um dies zu illustrieren werden die Anwesenden – wie erwähnt: die literarische Elite der Niederlande – zu Teilnehmenden einer kleinen Schreibwerkstatt. Unter der den Theatersesseln liegen Stifte und Papier parat und nach einer kurzen Anleitung wird der Schreibauftrag vergeben: Eine persönliche Schilderung zu Gewaltexzessen. Mit der Androhung, dass nur die besten 10 Gedankensätze veröffentlicht werden, wirkt auch der eine oder andere Bestsellerautor irritiert-motiviert. Und so scheint es gar, als wären die verwunderten Gesichter der Schriftstellerzunft im Publikum der eigentliche Preis, den Arnon Grunberg an diesem Abend mit nach Hause nimmt. Und schlussendlich scheint doch so niemand wirklich verwundert oder gar vor den Kopf gestoßen. Man stößt an mit Wein und Bier, lässt den lauen Frühsommerabend ausklingen und unterhält sich amüsiert über diesen kleinen Streich des einstigen Außenseiters der Szene. Arnon Grunberg ist auch in Holland angekommen – wir gratulieren ganz herzlich zum P.C. Hooft-Preis 2022!